Wenn die Tinte das Papier „frisst“
Diese Akte (A 204 Bü 588 fol. 71-82) aus dem frühen 18. Jahrhundert stammt aus dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart des Landesarchivs Baden-Württemberg und ist Teil des Bestandes Weltliche Zentralbehörden. Dieser beinhaltet Registraturen der großen Zentralbehörden in einem Zeitraum von 1322 bis 1821. Die vorliegende Lage, bestehend aus sechs Doppelblättern, ist Teil eines Büschels, das Protokolle der Geschäfte des Geheimen Rates vom 28. April 1732 bis zum 31. Dezember 1732 dokumentiert. Verfasser war der Regierungsratssekretär Johann Schäfer.
In dieser Zeit wurde, ähnlich wie heute, die „dokumentenechte“ Eisengallustinte für wichtige Staatsdokumente verwendet. Traditionell wird Eisengallustinte aus einem Extrakt aus Galläpfeln, Eisen(II)sulfat, Gummi Arabicum sowie weiterer Zusätze hergestellt. Bei einem unausgewogenen Verhältnis dieser Komponenten liegen oft freie Eisenionen vor, die die Haltbarkeit des Papiers negativbeeinflussen. Der so genannte Tintenfraß führt zunächst zu einer Verbräunung des Papiers im Bereich mit starkem Tintenauftrag, es entstehen schmale braune Höfe um die Schrift (Abb.2). Bei fortschreitendem Tintenfraß bilden sich Risse entlang der Tintenlinien, ganze Schriftzüge können ausbrechen und verloren gehen. Teile des Tintenauftrags wirken wie von einem Schleier bedeckt. Dieser Eindruck wird durch Kristalle auf der Oberfläche der Schrift hervorgerufen. Die Kristalle sind bei 40-facher Vergrößerung unter dem Mikroskop gut zu erkennen. Oft wurde die Schrift zum schnelleren Trocknen mit Löschsand bedeckt. Von diesem Sand liegen nach wie vor größere Mengen sowohl auf dem Tintenauftrag verkrustet als auch lose vor. Andere Kristallformen könnten auf einen hohen Gehalt an Eisensulfatverbindungen in der Tinte hinweisen. Teilweise scheint es sich auch um Gipsnadeln zu handeln, die sich aus der in der Tinte enthaltenen Schwefelsäure und vermutlich aus dem Papier stammendem Calciumcarbonat gebildet haben.
Entstanden in
mit Prof.in Dr. Irene Brückle
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