Atelierarbeit
Diplom: Immanenz

Immanenz ist nun, am Ende meines Studiums, die treffendste Umschreibung meiner Arbeitsweise. Insofern ist sie für mich nicht das Thema was ich in diesem Projekt abgearbeitet habe, sondern eine Umschreibung meiner Betrachtungsweise die sich in den letzten Jahren entwickelt hat und sich in den Entwürfen immer mehr konzentriert.

Immanenz bezeichnet das in den Dingen Enthaltene, was sich aus ihrer individuellen und objektiven Existenzweise ergibt. Eine philosophische Definition wäre: der Verbleib innerhalb der Grenzen möglicher Erfahrung. Der Begriff ist natürlich sehr weit gefasst und beschreibt letztendlich unsere Welt so wie sie ist.

 

In der Gestaltung von Dingen findet immer ein Umgang mit Immanenz statt. Inhärente Eigenschaften von Materialien werden so eingesetzt, dass sie einen bestimmten Nutzen erfüllen und dem Produkt zuträglich sind. Insofern könnte man meinen, dass ich mich in meiner Diplomarbeit nur mit dem beschäftige, was der Gestalter ohnehin schon tut. Dem ist aber nicht so.

 

Sowohl in der bildungssprachlichen als auch in der philosophischen Definition erkenne ich Parallelen zu meiner Arbeit. Der Begriff Immanenz beschreibt am treffendsten das Wesen dessen, was ich tue und wonach ich in meinem Ansatz suche. Es geht mir – im Sinne meiner Frage und meines Ziels im Studium – darum, Potenziale zu erkennen und so anzuordnen, dass sie sich überraschend und/oder neu zeigen können und sich auch durch die Interaktion mit dem Nutzer offenbaren. Immanente Eigenschaften eines Materials, Mediums oder der Umwelt werden bei jedem entstandenen Entwurf in den Fokus genommen und hervorgehoben. Dabei darf hier auch das Spielerische und Ungewöhnliche Einzug in den Prozess und in das Ergebnis halten. Es ist der permanente Versuch, alle zur Verfügung stehenden Qualitäten im Wesen der Dinge zu er- kennen und gezielt so vorteilhaft einzusetzen, dass sie beim Benutzer und im Gebrauch Momente schaffen, die andernfalls nicht möglich wären und nur auf ihre Immanenz zurückzuführen sind.

 

Die Grundlage meiner Arbeit ist diese Betrachtungs- und Herangehensweise an Material/Umfeld/Produkt/Gebrauch. Es geht mir um das Wahrnehmen der Dinge, die uns umgeben. Und mit diesem Wahrnehmen und forschenden Betrachten das Wesen in den Dingen zu entdecken, in die Gestaltung mit einzubeziehen, sodass es diesen Dingen entspricht und genutzt werden kann. Dabei ist es durchaus meine Absicht, die entstandene Gestaltung in ihrer Erscheinungsform für eine eventuelle Neudeutung und Nutzung offen zu halten und sie nicht als etwas Absolutes zu sehen. Durch meine Betrachtungsweise darf also aus dem Offenkundigen und schon Bekannten etwas Neues entstehen und entdeckt werden. So wollen die Arbeiten Anstöße liefern, Raum lassen und als exemplarische Ansätze betrachtet werden.

 

Mein Gestaltungsweg und meine Vorgehensweise gibt der Material- und Prozessorientierung einen besonderen Stellenwert. Gleichzeitig heißt das auch, mich und andere für diese Prozesse und Interaktionen zu sensibilisieren. Für mich ist es ein Versuch, durch diese Sensibilisierung das Bewusstsein für die Umwelt zu fördern.

 

Ich arbeite mit dem, was ist und wie es ist.

sensitive table

Bei diesem Ansatz betrachte ich das Potenzial von Flüssigkeiten als gestaltgebenden Faktor und spiele mit ihren Eigenschaften. In Farbton, Farbverlauf, Deckkraft, Transmission, Sensibilität und Wandelbarkeit sehe ich noch unausgeschöpfte ästhetische Qualitäten. Ich begann mit der Idee, die Kammern von Stegplatten mit angemischten Farblösungen aus Wasser und Holzbeize zu befüllen. Es folgten ein Raumtrenner mit Farbverlauf und der Versuch, ein Spitzbogenfenster zu schaffen, bei dem sich verschiedene Farbtöne innerhalb einzelner Kammern allmählich mischen und die Erscheinung des Fensters konstant verändern. Aus verschiedenen Gründen nahm ich Abstand von den Stegplatten. Glas schien mir interessanter. Isolierglas bietet von Werk aus einen idealen befüllbaren Raum. Die größeren Flächen von Isolierscheiben eröffnen der Sensibilität des Wassers einen Raum, der im Fall der Stegplatten zunächst noch verschlossen war. Ein Tisch bietet als Möbelstück die größte horizontale Fläche und der Sensibilität einen idealen Raum. Egal ob gegessen, geschrieben, gearbeitet, gequatscht oder auf den Tisch gehauen wird, es entstehen immanente Schwingungen, die durch Wellen im Wasser verbildlicht werden.

 

Da der sensible Tisch für mich ein sehr feinfühliger Entwurf ist, erschien mir das Isolierglas an dieser Stelle noch zu technisch und entsprach nicht meiner Intention. Ich wollte für die Flüssigkeit einen Raum schaffen, der keine klare Grenze hat und dem Wesen des Wassers die Möglichkeit gibt, sich frei zu entfalten. Ich begann, Glasscheiben im Schmelzofen thermisch gezielt zu verformen. Mit Formen unterbaut, legten sie sich bei ca. 640 °C so nieder, wie ich es mir vorstellte. Der klare Raum wurde aufgelöst, rechte Winkel wurden zu harmonischen Radien, eine Kammer zum weichen Becken, ein Aquarium zum See. Wichtig war für mich auch die farbliche Wandel- und Anpassbarkeit an verschiedene Umgebungen. Das Befüllen und Entleeren sollte ohne großen Aufwand möglich sein.

 

Der finale Entwurf besteht aus einer verformten Grundplatte und einer Deckplatte als Tischfläche und aus zwei Stahlböcken als Untergestell. Die Auflagepunkte am oberen Ende der Stahlböcke sind Halbkugeln, auf denen die Grundplatte aufliegt und in Position gehalten wird. Die Halbkugeln ermöglichen ein Kippen der Grundplatte in Längsrichtung, um den Tisch über Rinnen an den stirnseitigen Enden zu entleeren. Die Deckplatte liegt auf denselben Halbkugeln auf, sodass eine ideale Kraftübertragung auf die Böcke stattfindet und zwischen den Scheiben eine kaum wahrnehmbare Fuge entsteht. Die Abnehmbarkeit der Deckplatte dient der Reinigung der Grundplatte und erlaubt bei einem Aufbau im Freien auch durch den Wind entstehende natürliche Wellen.

Entstanden in

mit Prof. Uwe Fischer, Prof. Uwe Fischer, AM Claudia Heinzler, AM Enno Lehmann, AM Tilmann Eberwein

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150 cm × 92 cm × 77 cm

‚memento mori‘ , BdK

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